In ihrer Werkserie HABITAT untersucht Kerstin Stoll Konstruktionen und Material von Tierbauten und die Verwendung von natürlichen Baustoffen traditioneller menschlicher Behausungen. Ausgehend von den Lehmnestern der Töpferwespe, den geflochtenen Nestern des Webervogels oder den Bauten der Termiten und deren Transformation durch 3-D-Scan und Porzellandrucker, fragt sie nach deren möglichen politischen Bedeutungen im Heute unter den Vorzeichen eines sich verändernden Ökosystems, stagnierender Biodiversität und Artenverlust. Stoll transformiert die in der Natur vorgefundenen oder auch in Institutionen wie dem Naturhistorischen Museum Wien gesuchten Objekte anhand unterschiedlicher Verfahren, in denen sie verschiedene Parameter verschiebt: den Ort, die Zeit, das Material oder die Dimensionalität. Infolgedessen verwandelt Stoll den Ausstellungsraum der Friedrich Kiesler Stiftung in ein Habitat: Die Bersucher:innen treten nicht nur in einen visuellen Dialog mit Kerstin Stoll und Friedrich Kieser ein, sondern begeben sich gleichsam ins Innere eines Webervogelnestes. Neben den Objekten, die aus Stolls Auseinandersetzung mit Tierbehausungen entstanden sind, ist auch ein Multiscan als begehbare Rauminstallation zu sehen, welcher von der Künstlerin gemeinsam mit der TU Berlin erstellt wurde und die filigrane Struktur eines Webervogelnests zeigt:
*In dem Projekt „Hidden Stone – Flug durch ein Webervogelnest“ habe ich die Bildwelten untersucht, die bei der Erzeugung von 3-D Simulationen entstehen. […] Das gescannte Nest habe ich in Laos gefunden. Die kunstvollen Gebilde hängen wie riesige Früchte in Palmen oder Bäumen. Dieses Nest hing als Zierrat von der Decke eines Restaurants. Es stammt von einem Bajaweber (Ploceus philippinus) aus der Familie der Webervögel (Ploceidae). Webervögel weben mit ihrem festen gebogenen Schnabel Grashalme zu einem dichten, stabilen und haltbaren Hohlraum, der kaum noch Tageslicht durchlässt. […] Eine Besonderheit entdeckten wir im Inneren des Nestes: eine Art Stein, der mit dem Laser des Scanners nicht durchleuchtet werden kann. Wir spekulierten beim Betrachten der Scanbilder, dass es ein hartes, vielleicht anorganisches Material sei. Was es genau ist, ließe sich nur bestimmen, wenn man das Nest aufschneidet. Durch den Scan lässt sich die Größe, Struktur und Form bestimmen. Es könnte ein Klumpen Lehm sein, den der Vogel im Inneren des Nestes anbringt, um es vor starkem Wind zu schützen. Oder kühlt der feuchte Lehmklumpen, das warme Nestinnere ab und ist so eine Art Klimaanlage?
Frederick Kiesler MAGIC ARCHITECTURE | HABITAT Kerstin Stoll
Ausstellung in der Kiesler Stiftung in Wien, 2023
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MEHRZWECKHALLE – Nicole, 2020, Porzellan |
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WINDMASCHINE, 2023, 3D-Print in Porzellan | in Zusammenarbeit mit Joachim Weinhold, Babette Wiezorek |
MIT AUSSICHT – Thomas, 2022, Porzellan |
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Naturhistorisches Museum Wien, Nester der südamerikanischen Polybia, 1903 (Leihgabe) |
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Frederick Kiesler, MAGIC ARCHITECTURE, 1945-1947, Auszüge |